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Adolf-Wölfli-Projekt2

 

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Elka Spoerri
Die Entstehung von Adolf Wölflis erzählerischem Werk

„Erzählung, wiederhole, das heißt, erneuere;
immer neu hinausschiebend eine
Entscheidung, welche nicht sein darf.”
Peter Handke

(...) Adolf Wölflis künstlerisches Werk entstand während seines über dreißigjährigen Aufenthalts in der bernischen Irrenanstalt Waldau. Neben den Zeichnungen, auf denen sein weltweiter Ruhm gegründet ist, schuf Wölfli ein bis Mitte der siebziger Jahre nahezu unbekannt gebliebenes, umfangreiches erzählerisches Oeuvre, das als eigentliches Lebenswerk für ihn selber von größerer Wichtigkeit war. Er arbeitete daran ohne Unterbrechung von 1908 bis zu seinem Tod im Jahr 1930.

Die Übersicht über seine gesamten Schriften zeigt, dass sich dieses vielschichtige Werk trotz des monumentalen Umfangs in einem weit gespannten Bogen zu einer Einheit schließt. Das Werk beginnt mit der imaginären Autobiographie des „Adolf Wölfli” in Prosa, Gedichten und illustrativen Zeichnungen (1908-1912). Mit Ausweitung dieser Lebensgeschichte ins Mythische entwickelt sich daraus eine phantastische Erzählung von Reisen und Erlebnissen im Kosmos, die in der Errichtung einer eigenen “Welt-Schöpfung” gipfelt. Im Folgenden geht die erzählerische Form in die Aufzeichnung einer groß angelegten musikalisch-textlichen Komposition über. In Liedern und Tänzen besingt Wölfli die neue „Skt. Adolf=Schöpfung”. Konsequent entwickelte Zahlenordnungen liefern die durchgehende Struktur, rhythmische Gliederung und Progression dieser Komposition. Der Gesang endet mit dem “Trauer=Marsch”, einem Requiem-ähnlichen Finale, in dem die strenge Rhythmik der Wort- und Zahlenreihungen den Höhepunkt unendlich fortfließender Bewegung erreicht.

Das erzählerische Werk besteht aus Prosatexten, die mit Gedichten, musikalischen Kompositionen und Illustrationen durchsetzt sind. Von Wölflis schriftlichem Nachlass sind heute 45 große Bände mit insgesamt über 25000 beschriebenen Seiten, mehr als 1600 gezeichneten Illustrationen und über 1600 Collagen erhalten.

Der erste glückliche Zufall in Wölflis leidvollem Leben ereignete sich 1907 in der Anstalt von Waldau. Sein künstlerisches Schaffen wurde durch das Zusammentreffen mit dem Arzt Walter Morgenthaler begünstigt, der sein Talent förderte sowie seine Kunst und seine Arbeitsweise noch zu Wölflis Lebzeiten dokumentierte. Morgenthaler war 1907 kurz als Volontärarzt in der Waldau, von 1908 bis 1910 war er als Assistenzarzt und von 1913 bis 1920 als Oberarzt dort tätig. 1921 schrieb er die Monographie über Wölflis Leben und Werk, “Ein Geisteskranker als Künstler”, ein Pionierwerk, das bis heute in seiner Art unübertroffen ist.


Elka Spoerri (1924-2002)
war langjährige Kuratorin der Adolf-Wölfli-Stiftung in Bern

Die Adolf-Wölfli-Stiftung wurde 1975 in Bern gegründet und das Stiftungsgut im Kunstmuseum Bern deponiert. Es umfasst den gesamten Nachlass Adolf Wölflis sowie Schenkungen von privater Seite: 44 Bände seiner Schriften, 6 Schulhefte und 250 Einblattzeichnungen. Der Zweck dieser Stiftung ist es, Adolf Wölflis Werk zu erhalten, zu inventarisieren und durch Ausstellungen und Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.