<< zur ewo2 - Startseite

 


 

SINGEN FÜR DIE VERLORENE SEELE ...
aus dem „Odenwälder Echo” vom 04. November 2013


Mit dem „Kleinen Elektronischen Weltorchester“ gastierte der politische Liedermacher Bernd Köhler in der Wandelhalle in Bad König. Zum 150-jährigen Bestehen der deutschen Arbeiterbewegung lieferte die Band ein musikalisches Potpourri aus teilweise neu interpretierten Arbeiter-, Streik- und Kampfliedern – geschichtlicher Hintergrund inklusive.

BAD KÖNIG.
„Wenn wir unsere Lieder vergessen, vergessen wir ein Stück unserer Seele”, erklärte der Liedermacher und Sänger Bernd Köhler am Freitagabend den Zuschauern in der voll besetzten Bad Königer Wandelhalle. Mit „wir” meinte Köhler die Arbeiter, Gewerkschaftler und auch die deutschen Alt- und Neu-Linken im Allgemeinen. Anlässlich des 150-jährigen Bestehens der Deutschen Arbeiterbewegung war Köhler auf Einladung des Bad Königer Ortsverbandes der Naturfreunde Odenwald zusammen mit dem „Kleinen Elektronischen Weltorchester” (ewo2) in die Kurstadt gekommen, um gegen dieses Vergessen anzusingen.

„Unser die Welt – trotz alledem” lautete der Titel des Programms, mit dem dieses Unterfangen gelingen sollte und bei dem Köhler von seinen Bandkollegen Hans Reffert und Jan Lindqvist an der Gitarre sowie von Laurent Leroi am Akkordeon musikalisch unterstützt wurde.

Im Repertoire hatte die Formation hierbei teilweise neu und recht eigenwillig interpretierte Arbeiter-, Streik- und Kampflieder, von denen einige aus Köhlers Feder stammten, andere aus dem breiten Fundus des allgemeinen Liedgutes, das sich im Laufe der Jahrzehnte um das Thema Arbeitskampf gebildet hat.
Rund 13 Jahre lang, so erzählte Köhler seinen Zuhörern, habe er keine Lust mehr gehabt, solche Lieder zu singen. Diese Phase fiel in die Zeit der neunziger Jahre und erstreckte sich bis in die Anfangszeit des neuen Jahrtausends. Zuvor war Köhler von 1967 bis 1990 vor allem als Liedermacher bei politischen Aktionen und auf entsprechend politisierten Festivals in Erscheinung getreten. Doch dann habe er ein wenig den alten Kampfgeist verloren. Schuld daran seien vor allem auch die Gewerkschaften gewesen, bei denen sich in den neunziger Jahren die Ansicht eingeschlichen habe, mittlerweile sei in der Gesellschaft doch alles in Butter. „Bei den Gewerkschaften kam ich mir irgendwann vor wie ein singendes Museum“, erzählt Köhler.

Vor allem ihre Bindung und teilweise engen Verflechtungen mit der Kultur hätten die Gewerkschaften in diesen Zeiten aufgegeben – ein Gebiet, das nun langsam und mühselig wieder zurückerobert werden müsse. „Deshalb mache ich das hier“, so Köhler. Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, kramte das „ewo2” mit „Unser die Welt – trotz alledem” nicht einfach nur die alten Gassenhauer und Streikpostenlieder vergangener Tage aus der Schublade, um sie musikalisch-professionell mit neuem Sound zu versehen, sondern bettete die einzelnen Lieder des Programms auch in einen historischen Kontext ein. Auf diese Weise entstand wie nebenher ein kleines Panoptikum über 150 Jahre Arbeiterbewegung.
Ob Köhler nun die Entstehungsgeschichte des Liedes „Bet und Arbeit ruft die Welt“ erklärte, das anlässlich der Gründung des ersten deutschen Arbeiterbandes vor eineinhalb Jahrhunderten von Georg Herwegh gedichtet wurde, oder vor dem Anstimmen von Bertolt Brechts „Resolution der Kommunarden“ einen kurzen historischen Abriss über die Zeit der Pariser Kommune gab, die anno 1871 für zwei Monate lang die französische Hauptstadt verwaltete: Stets war er darum bemüht, auf geschichtliche Referenzpunkte zu verweisen.
Besonders Bertolt Brecht schien es dem „Kleinen Elektronischen Weltorchester“ angetan zu haben. Neben der „Resolution der Kommunarden” aus dem Gedichtsammlung „Svendborger Gedichte”, präsentierte das Ensemble auch das weithin bekannte Stück „Moritat von Mackie Messer“ aus der „Dreigroschenoper”, das „Lied vom SA-Mann” und „Das Lied von der Moldau”. Allerdings beschränkte man sich nicht nur auf Titel von deutschen Dichtern und Sängern.

Den gelungenen Einstieg in den Abend fand man beispielsweise mit dem spanischen „A la huelga” („Auf zum Streik”), das Köhler als eines seiner Lieblingslieder bezeichnete. In der zweiten Hälfte des Auftrittes bekam das Publikum unter anderem den „Linken Marsch der Matrosen“ vom russischen Revolutionsdichter Wladimir Majakowski zu hören.
Gemeinsam für eine bessere Welt zu streiten, so die Botschaft, ist kein nationales, sondern ein globales Anliegen. Eine Einsicht, wie sie aktueller kaum sein könnte.

>> Link zur Seite des Odenwälder Echos / Hans Müller - Foto: ewo2 in Bad König, von links: Laurent leroi, Jan Lindqvist, Bernd Köhler, Hans Reffert)

 

>> Solidaritätserklätung für die streikende Belegschaft bei NORGREN
>> PDF-Download - INFO ZUM NORGREN-STREIK